Dienstag, 27. September 2011

The Overachiever


Kann ein Musikalbum ZU perfekt sein?
Was ist Perfektion überhaupt? Perfekte Musik ist in meinen Augen, wenn Beat und Text eine solche Symbiose eingehen, dass sie sich gegenseitig bereichern und der Künstler es so schafft mit wenigen Worten Bilder und Geschichten vor meinem inneren Auge entstehen zu lassen. Perfekte Musik entsteht durch eingefangene (meist negative) Emotionen, die Gänsehaut machen. 
Nach einem eher langweilig bis nichtssagenden ersten Halbjahr 2011 durfte ich so einen Gänsehautmoment nach "XOXO" und "Watch The Throne" nun also bereits zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit erleben: 
Jermaine Lamarr Cole macht Musik auf die meine persönliche Definition von Perfektion zutrifft. Bereits seit über 2 Jahren auf meinem persönlichen Radar, hat er es nach einigen Anläufen und einem letzten Push vom Jiggaman geschafft heute am 27.9.11 sein Album "Cole World: The Sideline Story" herauszubringen. 
19 Tracks stark inklusive 2 Skits, welche das Album lose mit der Thematik über "The Day he got signed" zusammenhalten. 17 Musikstücke, welche in sich geschlossen alles kleine Meisterwerke sind.
Selten eine CD gehört die bei so vielen Anspielpunkten NIE einen Grund zum weiterskippen gibt. 
J.Cole, ein Rapper/Producer dem unter Roc Nation die Türen zu allen Produzenten=Hitgaranten des 30ten Jahrhunderts von Kanye über Neptunes oder Timbaland und Swizz Beatz offenstehen, steuert 13 der 17 Beats zu seinem Debut selbst bei. Was schwer nach Monotonie schreit offenbart sich in einer Abwechslung und Detailverliebtheit sondergleichen. Von erwarteten Pianobeats über Dubstep Anleihen hin zu 3/4-Takten (dem ersten 3/4-Raptrack seit Kanyes Drunk and Hot Girls!), J.Cole kann ALLES! Und zwar RICHTIG!
Es ist dieses Überraschungsmoment, welches ich zuletzt beim frühen Kanye West hatte:
Ein  Rapper, der nicht nur seine Beats selbst bis in die hinterste Ecke ausproduziert, sondern es auch noch schafft Geschichten zu erzählen.
Dabei ist J.Cole viel mehr noch als Kanye West eher der Rapnerd, als der Musikernerd:
Da wäre z.B. der erste Track Dollar and a Dream III, welcher nach einer Hook, einem 16zeiligen ersten Verse mit diesem Standard-Songaufbau von 
Hook, 16er, Hook, 16er, Bridge, Hook, 16er, Hook, Hook, Hook 
bricht, indem nach der ersten Hook ein 40 (!) zeiliger zweiter Verse folgt. 
Wie Jermaine selbst, hätte ich als Rapfan mir Jay-Z auf God's Gift gut vorstellen können. Mit Einsatz direkt im ersten Verse nach dieser Blueprint-Zeile. Es wäre ein ähnlicher Wow!-Moment gewesen, wie Jay-Zs Einsatz in Kanyes "Diamonds" Remix...

Außerdem sind da noch die ganzen Zitate aus anderen Rap- ODER RnB-Songs:
Diese Detailverliebtheit zieht sich durch alle Songs, was wohl auch scheinbar der einzige rote Faden im Album ist. Bei "XOXO" hatte man das Überthema des Abschied Nehmens, bei "Watch the Throne" den Jetset Vibe. Bei Cole World hat man 17 zusammenhangslose potentielle Hit-Singles (von denen es 4 sogar sind und weitere 3 wohl als solche angedacht sind).
Es wäre genügend Stoff für 2 Alben vorhanden mit mehreren Interludes, die die Einzeltracks zu einer zusammenhängenden Geschichte machen.
Dabei sind die meisten Songs alt und bekannt:
Man merkt der CD einfach an, dass J.Cole alle Songs die ihm jemals wichtig waren auf dieses Debüt rauf mussten. Ein Wunder eigentlich, dass weder "Song for the Ville", noch die beiden Kendrick Lamar Collabos "Temptation" und "Shock the World" auf der CD zu finden sind.
Ein Album ist aber mehr, als eine überladene austauschbare iTunes-Playliste von Hits, die in ihrer Reihenfolge völlig egal ist.
Trotz dieses fehlenden roten Fadens bin ich mehr als zufrieden mit der CD. Ich denke, dass ein rappender Producer (in diesem Fall wohl eher produzierender Rapper) eben am besten das umsetzen kann, was er im Kopf hat. Das war bei "The College Dropout" so, bei "Under Construction Part 2" und bei "2001". Und das ist bei "Cole World: The Sideline Story" nicht anders.
Quantität und Qualität überzeugen gleichermaßen, aber Weniger wäre in diesem Fall Mehr gewesen.
Der viel beschworene Klassiker wirkt in diesem Fall dann doch etwas sehr gewollt...



Samstag, 3. September 2011

Music to Driveby study...

...hard as fuck!
So wie der 08/15 Rapfan eben seinen ganz persönlichen Soundtrack zum alltäglichen Driveby, sprich täglichem Zeitvertreib in der Warteschlange im Supermarkt oder auch beim Bügeln hat, hat der Wirtschaftsstudent entsprechend seiner Sozialisation eben die passende Musik, zur Untermalung seiner Lieblingsbeschäftigung an seinem (ehemaligen) "Lieblingsort":



Klar, dass da jetzt nicht der extremste gewaltverherrlichendste afroamerikanischste Sprechgesang durch die
Sennheiser CX 300 II
Urbanears Plattan
Sony MDREX38IPW
Urbanears Bagis
Beats by Dre Solo HD
dröhnt, aber absolute Totenstille halte ich nichtmehr aus!



















iTunes Radio ging und geht sowieso immer (Solo Piano on SKY.fm, Whisperings: Solo Piano Radio), aber es gibt da diese ganz bestimmten CDs, die jedes Semester die Hardcore-24/7-Espressostattschlaf-Bibliothekssessions begleiteten:

Wintersemester 2008/2009:
Drake - So Far Gone Mixtape:
Es passte einfach vom gesamten verträumt/entspannten Vibe zum Sonnenuntergang um 4 Uhr nachmittags an einem arschkalten Februarnachmittag mit Blick auf die Theatinerkirche in der teppichgedämmten Stabi...
Fehlten eigentlich nur noch Ohrensessel, Hausschuhe und Kamin!
Nachdem Kanye die Blaupause für weinerlichen Herzschmerz-Rap im Winter zuvor lieferte und somit die Tür öffnete für all die Gefühle-zeigenden Sing-Sang-Flow Rapper, war es ja auch der Durchbruch für Degrassi-Drake. Inklusive 2 (berechtigter) Grammynominierungen für das von Kanye Regie geführte "Best I Ever Had". Irgendwann kannte ich das Ding auswendig. Es frisst sich halt doch mehr in den
Kopf, als irgendwelche Statistikaufgaben. Durch diese CD bin ich überhaupt auf großartige Künstler wie Lykke Li, Santogold und Peter, Bjorn and John gekommen!

Und das Gonzales Stück im Outro beim Champagner köpfen hat auch bleibenden Eindruck hinterlassen...
Definitive Anspielpunkte sind außerdem neben "Best I Ever Had" und "Successful"  "Houstalantavegas", "Uptown", "November 18th", "The Calm" und der ganze Rest:


Fun Fact zum Tape... Wirtschaftswissenschaftler-Sound eben! ;-)


Sommersemester 2009:
J.Cole - The Warm Up:
Irgendwie war die CD seltsam ähnlich zu "So Far Gone":
- ähnliches Konzept
- von A bis Z ohne skippen ähnlich perfekt durchhörbar
- ähnlich extrem textlastig und dabei nie anstrengend
- ähnliches Timbre und Gefühl für Melodien
-ähnliche Prophezeiung meinerseits, als DER Durchbruch für den Künstler (Label-technisch mag das stimmen, Release-technisch wird das erst über Umwege (1, 2, 34, 5) am 27.9.2011 passieren)
- ähnlich warme Pianobeats und trotzdem dieser faszinierend kalte Vibe (whrsch. der Depression in den Songthemen geschuldet)

...eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die
beiden gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Also in allen musikalischen Aspekten eigentlich ziemlich unpassend zur warmen Jahreszeit.



Aber man saß eben wieder in der Stabi, in der ja eh immer eine gefühlte emotionale Kälte von ca.    
-10°C herrscht. Außerdem wusste man ja eh nicht so GANZ genau, was man da eigentlich tat... ;-) (Was sich inzwischen aber MEHR als geändert hat!!!!!!EINSELF)
Zur CD: Ganz großes Storytelling! À la NAS anno 1994 mit besseren Beats! Jedes Lied perfekt und ganz besonders "Can I Live", "World is empty" und "Losing my Balance":


Wintersemester 2009/2010:
Theophilus London - This Charming Mixtape:
In dem Semester war eh ALLES anders:
- andere Uni (mit Wasser UND dem besten Kaffee der Welt in der Bib!!)
- anderes Land (+anders (un)organisiert)
- andere Leute
...also andere Musik anderer Musiker:
Eine Bohnenstange in Skinny-Jeans, die aus Biggies Heimatgegend stammt, mit Mark Ronson auf Fashion Shows in Paris chillt, auf dem Cover Elvis Costello zitiert und die CD dann mit einem The Smiths Song betitelt? Ja Mann!
Gestolpert bin ich über ihn in einem Complex Magazine Artikel, in dem sich sonst noch weitere damals "underrated new rappers" befanden. ("The Thrill" lief ab diesem Zeitpunkt bis heute auch rauf und runter.)

Dieses Rappen auf freien Stellen in Nicht-Raptracks ohne Rücksicht auf jegliche Genregrenzen sagte mir eh immer mehr zu, nachdem Maeckes dieses "Gesetz" bereits 2007 brach. Und "anyone who's open to Kanye and Kid Cudi's more experimental work will feel right at home" war definitiv ein Kaufargument.
Die CD passte vom gechillten Vibe perfekt in diese In-Badehose-mit-sandigen-Füßen-in-der-Vorlesung-sitzen-Atmosphäre, was ich bereits an anderer Stelle erläuterte.
Anspieltipps: "Grey x Sage", "Computer Love", "Always Love You" und Track 5-18! Hatte es dann noch erweitert um den Jamie XX Remix von "Pull My Heart Away". A propos The XX: Auf der Nicht-Lernen/Nicht-Rap Playliste aus Barcelona standen nach diversen Testdurchläufen auf Partytauglichkeit in alten Theatern mit verrückten DJs La Roux und The XX xoxo...




Sommersemester 2010:
The XX - The XX:
Zurück in Deutschland, zurück in der Kälte...auch wenn ich quasi einen Winter übersprungen hatte...mit der Stabi (aka Lerngefängis aka Catwalk für BWL-/Jura-/Medizin-/Studiumwasgeldbringt-Erstsemester(innen)) konnte ich mich direkt nichtmehr anfreunden, also mussten Alternativen her: Off-Locations (Cafés, Dächer, etc...) und dazu eben die passende Off-Location Musik:

The XX, ähnlich wie das Theophilus Mixtape erst Monate nach Erscheinen entdeckt und quasi aus Barcelona mitgebracht, war es wieder die perfekte Lernmusik: Der ganze Sound des Albums ist mysteriös/verschlafen/schwebend und trotzdem dank Jamie XX immer druckvoll nach vorne gehend. Es hört sich an, als ob Romy und Oliver das Ding
heimlich nachts in ihrer Garage aufgenommen hätten. Halb flüsternd, um die Nachbarn nicht zu wecken. Und dann hat Jamie vor dem mastern nochmal seinen Dubstep Wahnsinn drüberlaufen lassen... Überhaupt dieses Monster namens Dubstep: Diese wobbelnden Baselines...diese entrückten Drums...Ain't no party like a dubstep party! Außerdem bin ich diesem Genre (und speziell The XX) unglaublich dankbar R'n'B aus der Massageöl- und Muskelpräparate-Schmuddelecke (© JUICE.DE piranha media GmbH) wieder in die akzeptable Mitte der Gesellschaft geholt zu haben, aber dazu später mehr!
Also unbedingt "Crystalised", "Basic Space" und "Islands" hören und das Fremdscham- extrem unterhaltsame Video gucken (2/3 XX in einem Kindergarten (?) verwirrt von der Kamera):



Wintersemester 2010/2011:
James Blake - James Blake:
Wieder eingelebt in Alemania, in der neuen Lernfabrik/Legebatterie in der hässlichsten Uni seit Bochum mit dem geilsten Dach seit dem Rockefeller Center. Und mit James Blake! Ich weiß garnicht mehr, wie ich über diese seltsame Geräuschkulisse Musik gestolpert bin.
Irgendwie über The XX bzw. Jamie XX.
Irgendwie über Hypetrak und den Post-Dubstep Tumblr.
So in etwa...
Im ersten Durchlauf ziemlich unzugänglicher Sound, aber bei mehrmaligem Hören absolut hypnotisch. Man hört halt, wie der Typ echt 10 Sekunden die Platte festhält, um dann mit Bon-Iveresquem Gesang im kompletten Gegensatz zu dieser wabernden Baseline einzusetzen. Man fühlt sich halt genauso wie dieser Teebeutel, der in 


jenem Moment ins Glas fällt! ...ich versuche nur die Green Bison Songbeschreibungen nachzuahmen. ;-) "Like eating carnival flavoured firecrackers."
James Blake ist extrem verstörend wunderschön...my brother and my sister don't speak to me, but I don't blame them...why don't you call me...there's a limit to your love...I'm falling falling falling...




Sommersemester 2011:
Jay-Z and Kanye West - Watch the Throne:
Irgendwie war die Luft raus...

Ja, ich zitiere mich selbst!
Zu Watch the Throne habe ich an anderer Stelle bereits alles geschrieben. Es gab noch nie eine CD auf die ich so sehr wartete und bis auf verrückten BWL-"Quatsch" und lustigen Hüten ist in der Bibliothek auch nicht viel passiert...
Die CD an sich ist eher untypisch für Lernmukke, allerdings fiel sie eben (unglücklicherweise?) genau in diesen Zeitraum.
Die Musik selbst ist nach wie vor großartig, "Murder to Excellence Black Excellence" ist ein Song für die Ewigkeit und "Ni**as in Paris" ist genauso, wie von den Kollegen beschrieben. Und es ist lange her, dass ich 2 Multimillionäre gesehen hab, die merklich soviel Spaß haben:



Warum ich diesen Post schrieb:
Ein Wort: SBTRKT

Es wäre die PERFEKTE Lernmusik...wenn es etwas zum lernen gäbe!
Gestern das Album erstanden und voreilig aufgrund eines Liedes abgestempelt:

Sbtrkt sind The XX mit Ratatat Drums...less than a minute ago via qTweeter Favorite Retweet Reply
Dabei ist es viel mehr als das:
- im Juni bei Post Dubstep entdeckt
- im Mai von Drake geadelt (ich frage mich bis heute, wie mir das entgehen konnte)
- auf der Bühne wirklich diese afrikanischen Masken tragend
- live auch wirklich die Drums live spielend


Wie dem auch sei, die nächste Nacht in der Bibliothek kommt bestimmt...
...dann mit SBTRKT...oder Drakes drittem Wurf nach So Far Gone...






PS (3.9.2011 00:34Uhr MEZ):
2 Random Thoughts am Rande, da ich gerade von einer nächtlichen musikerfüllten Radtour komme:

1.  Donalds EP war AMA- wait for it -ZING! Wo bleibt die LP? Ich will ja nicht zuuuu deutsch klingen, aber HIER (Minute 4:21) hat er gesagt September! Also Herr Glover? Zumindest ein weiteres Mixtape muss doch drin sein, was sich ja hier schon ankündigt:


und hier:

...auch wenn gelbe Badeshorts und Rap einfach nicht zusammenpassen.
Ich bin mir sicher, dass der baggytragende Club der Boom-Bap-Faschisten e.V. (est. since 1995) größere Unterwäsche trägt, als das gelbe Ding mit dem Donald hier auf der Bühne rumhüpft...und dennoch alles abreißt!

2. Lil'Waynes Tha Carter IV scheint trotz des grausamen Covers (Peak Preview für Tha Carter Pfümpf!) und Schnellschuss-Charakter ein überdurchschnittlich gutes Album zu sein! Ich meine....auf dem Ding RAPPT André3000!!!! Ohne als Feature überhaupt gelistet zu sein!!!!!
...an der Tracklist lässt sich im iTunes Zeitalter, in dem Alben immer mehr von Gesamtwerken zu Ansammlungen von Einzeltracks degradiert werden, nach persönlichem Gusto noch wie folgt herumschrauben:
Mixtapetracks "Gucci Gucci (Freestyle)", "Marvin's Room (Freestyle)", "Sure Thing (Freestyle)", "Hands Up (Freestyle)" und "Sorry 4 The Wait" drauf!
"How to Hate" (T-Wayne Überbleibsel?!) und "How to Love" (Luv Sawngz Überbleibsel?!) ggf. runter! (Muss ich noch mehrmals durchhören/-testen.)
Die Mixtapetracks sind alle hier zu finden: