Mixtapes haben mit deren ursprünglicher Bedeutung wenig bis GARNIX mehr zu tun.
Weder gemixt, noch auf Tape sind sie heute viel mehr ein *.rar Ordner...320kbps MP3s...Playlist im iPhone...2 Wochen später vergessen (meistens).
Eine Rekapitulation:
80er - Mitte 90er:
...es gibt merkwürdige merkwürdige Wesen, in lustigen Hosen, mit albernen Caps, in künstlichen Posen... , die irgendwo in der Nachbarschaft von Biggie und Jazzy rauschende MusiCassetten verkaufen.
Bespielt mit den Lieblingsliedern der lokalen DJ's, die sie nach stundenlangem Crate Digging ans Tageslicht befördern, zerhacken, scratchen, mixen und zu eben jenen MIXTAPES wieder zusammenschustern.
...kenn ich aber auch nur aus Sagen und Legenden von meinem Ur-Ur-Opa, deshalb EGAL!
Mitte 90er - frühe 2000er:
Ein ähnliches Modell versuchten dann Dj Clue, Dj KAYSLAY und Co. KG in bare $$$ zu verwandeln: Mix-CDs, auf denen dann das aktuelle Who-is-Who der Ostküste sich die Klinke in die Hand gab und mittelmäßige 16er hinrotzte, aufgenommen bei irgendwelchen Keller-Freestylesessions. Besagte DJs hatten da wohl "zufällig" Tonbänder dabei und verkauften den Rotz dann als "Exclusive Tracks". Vermengt mit allerlei Freestyles von talentfreien Rappern aus der Nachbarschaft, die nur auf dem Mix landeten, weil sie den DJ kannten, sein Friseur/Gemüsehändler/Straßenapotheker waren und auch mal rappen wollten.
2000-2005:
Immernoch gemixt, immernoch (teilweise) auf Kassette überschwemmten die Crews um 50Cent und Cam'Ron mit ihren Tapes den lokalen Markt. Ähnliches Konzept wie zuvor: (Größtenteils) unspektakuläre Freestyles auf Instrumentals vom hauseigenen Produzenten, zusammengewürfelt vom hauseigenen DJ. Dieses Mal aber völlig familiär gehalten mit einem einzigen Ziel: SELBSTVERMARKTUNG.
Was in meinen Augen zu einer Übersättigung des Marktes hätte führen müssen, führte wunderlicherweise glücklicherweise zu den erhofften $$$. 50Cent verkaufte seine Seele an Jimmy Iovine und hatte fortan ausgesorgt, Cam'ron brachte seine Schäfchen bei Jay-Z und Dame Dash ins Trockene.
2005-2008:
Nachdem das Internet bereits die Filmbranche und die Musikbranche in Hinsicht auf Singleverkäufe gefressen hatte, kristalisierte sich Mitte der 00er Jahre eine Lösung heraus für die urbane Musikindustrie heraus:
Unterstützt von bekannten Radio-DJs, die weder für's Scratchen, noch für die Produktionen, sondern lediglich für Rewinds, Gashupen und Geschrei verantwortlich waren, legte ein bis dato südstaaten-abgestempelter Rapper namens Lil'Wayne eine Arbeitsmoral vom anderen Planeten an den Tag. Fünf offizielle und ca. drölftausend inoffizielle "Mixtapes" als Gratisdownloads, in denen es nur darum ging, dass sein anstehendes Album "Tha Carter 3" DAS KRASSESTE ALBUM ALLER ZEITEN WERDEN WÜRDE !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!111EINSELF
...das traf dann vielleicht nicht wirklich auf das finale Album zu (obwohl es doch sehr gut ist), aber 1.005.545 verkaufte Einheiten in der ersten Woche sprachen doch eine DEUTLICHE Sprache!
1. Führte das zu einem Grammy für das Beste Rap Album 2009 (!für einen Südstaatenrapper!).
2. Führte das zu übermäßigem Codein- und Tätowiernadelkonsum seitens Michael Dwayne Carter.
3. Führte das zur Geburt des Internetrappers!
2008-2010:
Dem Vermarktungsmodell von Lil'Wayne folgten Viele:
Schritt 1: Selbstvermarktung durch Mixtapes 2.0.
Schritt 2: Verhökert für lau über das Internet, die Straßenecke/Kofferraum 2.0.
Schritt 4: Einen dicken Fisch Vorschuss an Land ziehen für das offizielle Debütalbum.
Die "Mixtapes" waren weder gemixt, noch wurden (ausschließlich) bekannte Beats benutzt, und von den grölenden "DJs" emanzipierte man sich auch langsam. Gott, war ich froh als im Juni 2009 das neue B.O.B. Mixtape direkt in der [No DJ] Version veröffentlicht wurde!
Ich hasse es, wenn DJ Drama meine Musik kaputtschreit!
2010-20XX:
Der Grund, weshalb ich diesen (inzwischen schonwieder 3 Kilometer langen) Blogpost hier schreibe, ist folgender:
Ein neuer Trend im Musikgeschäft scheint anzubrechen, und wieder scheint das wandlungsfähige "Mixtape" das Vehikel dafür zu sein.
Emanzipation vom Major Label Deal.
Künstler wie B.O.B, Lupe Fiasco oder Ludacris haben ihre Debüt- oder diversen Vertragsalben bereits erfolgreich (sprich gewinnbringend) veröffentlicht. Sie hätten es also finanziell gesehen überhaupt nicht nötig Musik in bester Qualität gratis ins Internet zu stellen. Dennoch erschienen diese Tage von allen 3 Künstlern Gratis-Mixtapes, auf welchen ich dieselbe Gemeinsamkeit entdeckte.
Eine gewisse Antihaltung zu denen Ihnen vertraglich auferlegten Normen.
Hier im Detail:
Ludacris - 1.21 Gigawatts: Back To The First Time: